Antibiotikaresistenz Part 4

Antibiotika

Antibiotikaresistenz Part 4

Diesmal geht es um die Themen: warum Antibiotikaresistenzen so gefährlich sind und wie man sie im Labor nachweist.

  1. Was versteht man eigentlich unter Antibiotikaresistenz?
  2. bakteriologische Grundlagen 
  3. Welche Antibiotika gibt es?
  4. Was ist der Unterschied zwischen intrinsischen und erworbenen Resistenzen?
  5. Welche Resistenzmechanismen gibt es? 
  6. Welche Bakterien sind problematisch? 
  7. Warum sind Antibiotikaresistenzen so gefährlich? 
  8. Welche Verfahren zur Resistenzbestimmung gibt es im Labor? 
  9. Was sind die Ursachen für die Zunahme an Resistenzen in den letzten zwei Jahrzehnten?
  10. Können wir noch verhindern, dass sich Antibiotikaresistenzen weiter ausbreiten?

Für alle, die es noch nicht getan haben, empfehle ich für ein besseres Verständnis vorher Antibiotikaresistenzen Part 1, Part 2 und Part 3 zu lesen.

7. Warum sind Antibiotikaresistenzen so gefährlich?

Das Wachstum der Weltbevölkerung und die steigende globale Mobilität begünstigen die Ausbreitung von
Infektionskrankheiten weltweit. Darunter fallen auch Infektionen, die durch Bakterien verursacht werden. Genaue Zahlen sind nicht einfach zu ermitteln, da weltweit keine einheitlichen Statistiken erhoben werden und gerade in ärmeren Regionen sind Fallzahlen noch schwieriger zu ermitteln. Aber um mal einen kleinen Eindruck zu vermitteln, gibt es hier ein paar Beispiele an bakteriellen Infektionskrankheiten. 

2018 waren weltweit beispielsweise ca. 324 Mio an Escherichia coli, 166 Mio an Campylobacter und 154 Mio an Salmonellen Infektionen erkrankt. Und das ist nur ein winzig kleiner Auszug.

Sterblichkeitsrate bakterieller Infektionskrankheiten

Im Jahr 2022 hat erstmals ein Forscherteam versucht die Sterblichkeitsrate von bakteriellen Infektionskrankheiten zu ermitteln. Im Rahmen der umfassenden Studie analysierten die Wissenschaftler 33 häufige bakterielle Erreger und elf Infektionsarten in 204 Ländern und Regionen. Dabei handelt es sich um die ersten globalen Schätzungen zur Sterblichkeit im Zusammenhang mit bakteriellen Krankheitserregern.

Laut dieser Studie sind bakterielle Infektionen die zweithäufigste Todesursache weltweit. Im Jahr 2019 waren sie für etwa jeden achten Todesfall verantwortlich. Insgesamt wurden die Erreger mit 7,7 Millionen Todesfällen in Verbindung gebracht, was 13,6 Prozent der globalen Gesamtsterblichkeit entspricht.

In einer weiteren Studie aus dem Jahr 2022 wurde der Zusammenhang zwischen Antibiotikaresistenzen und der Sterblichkeit an Infektionskrankheiten untersucht. Laut den Autoren der Studie starben 2019 schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen an Infektionskrankheiten, weil Antibiotika nicht mehr wirksam waren. Bei insgesamt 4,95 Millionen Todesfällen könnten Antibiotikaresistenzen eine Rolle gespielt haben.

Antibiotikaresistenzen: Was die Zukunft bringt

Wenn Antibiotikaresistenzen in den kommenden Jahren weiter steigen, wird die Behandlung bakterieller Infektionen zunehmend schwieriger. Ein zentrales Problem dabei ist, dass seit vielen Jahren nur wenig in die Forschung neuer Antibiotika investiert wird.

Seit dem Jahr 2000 sind wenig neue Antibiotika auf den Markt gekommen und nur zwei davon mit neuen Wirkmechanismen. Wie in den vorherigen Beiträgen schon besprochen, können sich Resistenzen häufig bereits durch eine einzige spontane Mutation entwickeln. Und das führt nach wie vor zu großen Problemen bei Antibiotika mit bereits bekannten Wirkmechanismen.

Wie bei den Ursachen, die wir im nächsten Beitrag näher beleuchten werden, ist man sich schon seit langer Zeit darüber im Klaren, dass neue Antibiotika dringend benötigt werden. Doch, wie so oft auch in anderen Bereichen im Leben, wird viel geredet, aber wenig getan. Es mag sein, dass einige jetzt aufgebracht widersprechen und „Aber!“ rufen – doch die Realität spricht eine andere Sprache: Neue Antibiotika sind auch in Zukunft wohl nur schwer zu erwarten. Das liegt zum Teil daran, dass die Entwicklung neuer Medikamente äußerst teuer, langwierig und komplex ist, sodass es für viele Pharmaunternehmen schlichtweg nicht rentabel ist. Bis ein neues Antibiotikum zugelassen wird, vergehen oft viele Jahre. Pharmaunternehmen sind eben profitorientiert und keine gemeinnützigen Organisationen, die ausschließlich das Wohl der Patienten im Blick haben.
Das bedeutet für mich jedoch nicht, sie aus der Verantwortung zu entlassen. Ganz im Gegenteil: Pharmaunternehmen sollten meiner Ansicht nach auch die Pflicht haben, weniger rentable Medikamente zu entwickeln, besonders wenn es um Krankheiten geht, die viele Menschen betreffen. Auch die Politik muss hier aktiv werden, indem sie solche Forschungsprojekte unterstützt, gegebenenfalls subventioniert und Anreize schafft bzw. Standorte attraktiver gestaltet werden.

Insgesamt bin ich leider wenig optimistisch, was die Zukunft in diesem Bereich betrifft. Natürlich lasse ich mich aber gerne eines Besseren belehren.

8.Welche Verfahren zur Resistenzbestimmung gibt es im Labor?

Wie weist man im Labor eigentlich nach, ob ein Bakterium gegen Antibiotika resistent ist oder sensibel und was bedeutet das? Es gibt drei gängige Verfahren zur Resistenzbestimmung im Labor: Mikrodilutionsverfahren, Agardiffusionstest (ADT) und den Epsilometertest (E-Test).

Mikrodilutionsverfahren

Beim Dilutionsverfahren wird die sogenannte minimale Hemmkonzentration (MHK) bestimmt, bei der das Antibiotikum das Wachstum eines Bakteriums gerade noch verhindert. Man stellt dazu eine Verdünnungsreihe in verschiedenen Konzentrationen eines Antibiotikums her, beimpft diese mit einer definierten Menge des Bakteriums und bebrütet sie anschließend bei 35-37°C. Um eine definierte Bakteriensuspension herzustellen, wird etwas Bakterienmaterial mit einem Wattetupfer von einer Agarplatte entnommen, in ein Röhrchen mit NaCl Lösung eingerührt und die Trübung gemessen. Dazu verwendet man ein Densitometer.

Bakterienkultur
Mit einem Wattetupfer wird eine kleine Menge von der Bakterienkultur von der Agarplatte entnommen.

In der folgenden Abbildung ist eine Verdünnungsreihe dargestellt, nach einer Übernachtinkubation im Brutschrank. Ganz links befindet sich die Wachstumskontrolle, bei der die Nährlösung kein Antibiotikum enthält, sodass das Bakterium auf jeden Fall wachsen muss. Das Wachstum des Bakteriums zeigt sich durch eine Trübung der Lösung.

Bestimmung der Mindesthemmkonzentration
Bestimmung der Mindesthemmkonzentration

Dann folgen von links nach rechts Lösungen mit einem Antibiotikum, wobei die Konzentration nach rechts hin abnimmt. In den Röhrchen 1 und 2, die höhere Antibiotikakonzentrationen enthalten, ist keine Trübung sichtbar. Das bedeutet, dass diese Konzentrationen das Wachstum des Bakteriums vollständig hemmen. Ab Röhrchen 3 ist wieder eine Trübung zu erkennen, was darauf hinweist, dass diese Konzentrationen nicht mehr ausreichen, um das Bakterienwachstum zu stoppen. Röhrchen 2 stellt also die Mindesthemmkonzentration (MHK) dar, bei der das Wachstum des Bakteriums gerade noch verhindert wird. Je höher der MHK-Wert, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Bakterium gegen das Antibiotikum resistent ist.

Die Verdünnungsstufen werden dabei nicht zufällig gewählt, sondern in der Regel exponentiell erhöht, beispielsweise 2, 4, 8, 16, 32, 64 mg/l.

Da solche Testungen im Labor in großer Zahl durchgeführt werden und mehrere Antibiotika gleichzeitig getestet werden sollen, wurde das Dilutionserfahren optimiert und der Maßstab verkleinert. Ein Beispiel dafür sind Mikrotiterplatten, auf denen verschiedene Antibiotika in unterschiedlichen Verdünnungsstufen getestet werden können. Dieses Verfahren wird als Mikrodilution bezeichnet. Die Ergebnisse lassen sich entweder visuell ablesen oder mithilfe von Automatisierungssystemen auswerten.

Mikrodilutionsverfahren in einer Mikrotiterplatte.
Mikrodilutionsverfahren in einer Mikrotiterplatte.

Es geht jedoch noch kompakter. Ein Beispiel hierfür sind die AST-Karten von bioMérieux. Diese Karten messen lediglich 10 cm x 6 cm x 0,5 cm und ermöglichen es dennoch, mehrere Antibiotika gleichzeitig zu testen – und das ganz automatisch, einschließlich der Bestimmung auffälliger Resistenzmuster.

AST Karte zur Bestimmung von Antibiotikaresistenzen von biomerieux.
AST Karte zur Bestimmung von Antibiotikaresistenzen von biomerieux.

Agardiffusionstest (ADT)

Eine weitere Methode zur Bestimmung der Antibiotikaempfindlichkeit ist der Agardiffusionstest. Auch hierfür wird zunächst wieder eine definierte Bakteriensuspension benötigt, die mit dem Densitometer gemessen wird. Die Bakteriensuspension wird dann mit einem Wattetupfer gleichmäßig auf eine Agarplatte aufgetragen und anschließend kleine Plättchen mit einer festgelegten Antibiotikakonzentration aufgelegt.

Das können mehrere Plättchen mit verschiedenen Antibiotika gleichzeitig auf einer Platte sein. Für diesen Test müssen spezielle Agarplatten verwendet werden, meistens handelt es sich dabei um Müller Hinton Agar, mit oder ohne Pferdeblut. Vielleicht sollte ich mal einen Blogartikel über die verschiedenen Nährmedien schreiben, das würde jetzt hier an der Stelle zu weit führen 🙂
Die Platten werden dann für 18-24 Stunden bei 35-37°C im Brutschrank inkubiert. Das Antibiotikum diffundiert in den Nährboden und wenn das Bakterium sensibel ist, kann es nicht an das AB-Plättchen anwachsen und es bildet sich ein Hemmhof um das Antibiotikum. In diesem Fall wird die MHK nicht direkt gemessen, sondern der Durchmesser des Hemmhofes.

Agardiffusionstest - ADT
Zur Resisitenzbestimmung bei einem Agardiffusionstest wird der Durchmesser des Hemmhofes bestimmt.

Epsilometertest (E-Test)

Der Epsilometertest funktioniert ähnlich wie ein ADT ist aber gleichzeitig so präzise wie das Mikrodilutionsverfahren. Auf einem länglichen Papierstreifen wird ein Antibiotikum in verschiedenen Konzentrationen wie bei einer Verdünnungsreihe exponentiell aufgetragen. Diese sind auch visuell mit Zahlen und Strichen auf dem Streifen gekennzeichnet. Ähnlich wie beim ADT bildet sich nach dem Bebrüten ein Hemmhof aus bis zu der Konzentration, bei der das Antibiotikum noch wirkt.

Epsilometer Test
Epsilometertest zur Bestimmung von Antibiotikaresistenz auf einer Müller Hinton Platte mit Pferdeblut.

Resistent oder Sensibel?

Aber wie weiß man denn nun, ob ein Antibiotikum bei einem bestimmten MHK Wert oder Hemmhof resistent oder sensibel ist? Hier kommen zwei wichtige Institutionen ins Spiel: EUCAST und NAK. Dabei handelt es sich um das europäische Institut zur antimikrobiellen Sensibilitäts Testung und das Nationale Antibiotika Sensitivitätstest Komitee (in Deutschland). Deren Aufgabe ist es, die Grenzwerte zur Resistenzbestimmung festzulegen und standardisierte Werte für Europa aber auch andere Länder bereitzustellen. In den USA gibt es mit dem CLSI (Clinical and Laboratory Standards Institute) eine vergleichbare Organisation.

Diese Grenzwerte werden jedes Jahr im Januar aktualisiert und sind für jedermann auf der Website von EUCAST frei zugänglich. Die EUCAST-Daten finden Sie unter folgendem Link:

 

Auf dieser Seite sind die Grenzwerte für die wichtigsten medizinisch relevanten Erreger in tabellarischer Form aufgelistet. Einen Auszug der Grenzwerte für Enterobacterales sieht beispielsweise so aus:

Auszug aus der EUCAST Tabelle für Enterobacterales.
Auszug aus der EUCAST Tabelle für Enterobacterales.

Über der jeweiligen Tabelle sind die Bakterienarten angegeben, für die die Tabelle gilt. In der linken Spalte sind die Antibiotika nach Antibiotikaklassen geordnet, und in der zweiten Spalte finden sich die MHK-Werte (englisch MIC für Minimum Inhibitory Concentration), bei denen das Antibiotikum als resistent (nicht wirksam) oder sensibel (wirksam) gilt. Diese Werte beziehen sich auf das Mikrodilutionsverfahren und den Epsilometer-Test. In der dritten Spalte wird die Konzentration angegeben, mit der das Antibiotikaplättchen beim Agardiffusionstest (ADT) bestückt sein muss, um die entsprechenden Werte in der vierten Spalte zu erzielen, wo die Durchmesser der Hemmhöfe in Millimetern aufgeführt sind.

Beispiele zur Veranschaulichung:

 

Piperacillin

MHK-Wert: 8 mg/l
Das bedeutet, dass das Antibiotikum für Bakterien der Ordnung Enterobacterales bis zu diesem Wert sensibel ist. Liegt der Wert über 8 mg/l, etwa bei 16 oder 32 mg/l, gilt das Antibiotikum als resistent.

Durchmesser: 20 mm
Das heißt, bei einem Durchmesser von 20 mm und größer ist das Antibiotikum sensibel und kleiner 20 mm resistent.

Temocillin

MHK s (sensibel): 0,001 mg/l
MHK r (resistent): 16 mg/l
Bei Temocillin gibt es zwei Besonderheiten: Zum einen ist das Spektrum der Bakterien, gegen die es wirkt, eingeschränkt (es gilt nur für Escherichia coli, Klebsiella spp. und Proteus mirabilis). Zum anderen gibt es abweichende Werte für sensibel und resistent. Konzentrationen bis 0,001 mg/l gelten als sensibel, Werte über 16 mg/l als resistent. Zwischen diesen beiden Werten befindet sich der Bereich „Increased“, was bedeutet, dass das Antibiotikum bei erhöhter Exposition (durch höhere Dosierung) noch wirksam sein kann.

Durchmesser s (sensibel): >= 50 mm
Durchmesser r (resistent): < 17mm
Das heißt, bei einem Durchmesser von 50 mm und größer ist das Antibiotikum sensibel und kleiner 17 mm resistent. Der Bereich dazwischen wird als increased bezeichnet.

Diese Tabellen und Werte bieten eine fundierte Grundlage für die Bestimmung der Wirksamkeit von Antibiotika und ermöglichen eine standardisierte Resistenzbestimmung, die weltweit Anwendung findet.

Suerbaum, Sebastian et al. (2020): Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie, 9. Auflage Springer (Verlag)
Hof, Herbert; Schlüter, Dirk (2019): Medizinische Mikrobiologie, 7. Auflage, Thieme Verlag KG

Ich hoffe, ich konnte einen weiteren Einblick in das wirklich wichtige Thema Antibiotikaresistenzen geben. Als Mikrobiologin liegt es mir wirklich am Herzen und ich blicke besorgt in die Zukunft. Aber jeden, den ich hier erreiche und für dieses Thema etwas sensibilisiere, trägt vielleicht etwas dazu bei, die weitere Ausbreitung ein wenig entgegenzuwirken.

Im nächsten Part beleuchte ich, wie es überhaupt soweit kommen konnte und welche Möglichkeiten wir noch haben, etwas zu unternehmen. Also dran bleiben 🙂

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