
Einführung in die medizinische Mikrobiologie
Eigentlich habe ich noch tausend Themen im Kopf, über die ich unbedingt schreiben möchte. Aber neulich hatte ich einen echten Aha-Moment – es fiel mir wie Schuppen von den Augen: Mein allererstes Blogthema hätte genau dieses hier sein müssen!
„Eine Einführung in die medizinische Mikrobiologie.“
Ich hatte zwar schon ein tolles Video dazu gemacht, aber trotzdem möchte ich heute auch hier im Blog ein bisschen was darüber erzählen – über die Grundlagen, die Faszination und warum dieses Fachgebiet so spannend (und wichtig!) ist.
Fangen wir ganz am Anfang an:
Was bedeutet eigentlich „Mikrobiologie“?
Der Begriff setzt sich aus drei altgriechischen Wörtern zusammen:
- mikrós – „klein“
- bíos – „Leben“
- lógos – „Lehre“ oder „Wissenschaft“
Wörtlich übersetzt bedeutet Mikrobiologie also die Lehre von Mikroorganismen oder auch die Lehre von kleinen Lebewesen
In der Mikrobiologie beschäftigen wir uns mit winzigen Lebewesen, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind:
Bakterien, Pilze, Protozoen (also Urtierchen) – und auch Viren. Streng genommen zählen Viren nicht zu den echten Mikroorganismen, da sie keinen eigenen Stoffwechsel besitzen. Aber der Einfachheit halber werden sie in der medizinischen Mikrobiologie trotzdem oft mit dazugenommen.

Damit man eine ungefähre Vorstellung bekommt, wie klein Mikroorganismen sind, gibt es hier einen Größenvergleich im Bezug auf den Durchmesser von einem Haar.
In der medizinischen Mikrobiologie beschäftigen wir uns mit einer Vielzahl spannender Fragen rund um Infektionskrankheiten. Dabei stehen folgende Aspekte im Mittelpunkt:
- Ursachen menschlicher Infektionskrankheiten
- Quellen und Übertragungswege von Erregern
- Pathogenese – also die Entstehung und Entwicklung einer Krankheit
- körpereigene Abwehrmechanismen (Immunsystem)
- Diagnostik und Therapiemöglichkeiten
Ein zentraler Punkt ist die Unterscheidung zwischen pathogenen (krankmachenden) und apathogenen (nicht krankmachenden) Mikroorganismen – das betrifft vor allem Bakterien und Pilze. Denn wir Menschen leben seit jeher in enger Gemeinschaft mit vielen Mikroorganismen. Diese natürliche, nützliche Besiedlung nennen wir die physiologische Normalflora. Sie ist lebenswichtig und findet sich vor allem in folgenden Körperregionen:
- auf der äußeren Haut und den Schleimhäuten im Mund-Rachen-Raum (Oropharynx)
- im oberen Atemtrakt
- im Dünn- und Dickdarm
- sowie im unteren Urogenitaltrakt
Zur Einordnung: Ein erwachsener Mensch ist durchschnittlich mit etwa 10^14 Bakterien besiedelt – also rund 100 Billionen! Der Großteil davon lebt im Gastrointestinaltrakt. Das ist nicht nur faszinierend – das ist elementar für unsere Gesundheit.
Viele dieser nützlichen Bakterien übernehmen eine wichtige Schutzfunktion. Sie verhindern, dass krankmachende Keime sich ausbreiten können.
Ein gutes Beispiel dafür ist der Genitalbereich der Frau:
Hier kommen vor allem Lactobazillen (auch Milchsäurebakterien genannt) vor. Sie sorgen dafür, dass das Scheidenmilieu leicht sauer bleibt – und genau das mögen viele pathogene Bakterien überhaupt nicht. Das saure Milieu hemmt ihr Wachstum – und schützt so effektiv vor Infektionen.
Ein weiteres spannendes Beispiel für unsere schützenden Mikroben ist die Darmflora – oder genauer gesagt das Darmmikrobiom:
Hier leben Milliarden nützlicher Bakterien, die nicht nur bei der Verdauung helfen, sondern auch verhindern, dass sich krankmachende Keime im Darm ansiedeln. Besonders wichtig sind dabei Bakteriengattungen wie Bacteroides oder Eubacterium. Sie produzieren unter anderem kurzkettige Fettsäuren (wie Butyrat), die entzündungshemmend wirken und die Darmschleimhaut stärken. Außerdem sorgen sie dafür, dass pathogene Erreger weniger Platz und Nährstoffe finden – und sich somit kaum vermehren können.
Wie werden Mikroorganismen eigentlich kultiviert?
Das Thema physiologische Normalflora, auch bekannt als Mikrobiom, ist unglaublich komplex – dazu werde ich definitiv noch einen eigenen Beitrag schreiben. Aber heute schauen wir uns an, wie Mikroorganismen überhaupt im Labor nachgewiesen und kultiviert werden.
Schritt 1: Probenentnahme
Zuerst muss der Arzt oder die Ärztin eine geeignete klinische Probe entnehmen – je nachdem, welcher Infektionsverdacht besteht. Beispiele für häufige Probenarten:
- Urin → z. B. bei Verdacht auf eine Harnwegsinfektion
- Stuhlprobe → z. B. bei Durchfall oder Verdacht auf Darmerreger
- Rachenabstrich / Nasenabstrich → z. B. bei Atemwegsinfektionen
- Wundabstrich → bei lokalen Infektionen der Haut
Wichtig: Die Proben müssen möglichst schnell ins Labor transportiert werden, damit die Mikroorganismen nicht absterben oder sich unkontrolliert vermehren.
Schritt 2: Anzucht auf Nährmedien
Im Labor werden die Proben auf sogenannte Nährmedien aufgetragen – meist in Form von Agarplatten. Diese
enthalten alle wichtigen Nährstoffe, damit Mikroorganismen wachsen können. Es gibt verschiedene Arten von Agarplatten – je nachdem, was untersucht werden soll:
Blutagar: enthält Schafblut – hier kann man das Hämolyseverhalten von Bakterien beurteilen, also ob (und wie stark) sie rote Blutkörperchen zersetzen.
Selektivmedien mit Antibiotika: unterdrücken gezielt das Wachstum bestimmter Bakterien, um andere besser sichtbar zu machen.
Chromogene Agarplatten: enthalten chromogene Substanzen – dadurch erscheinen bestimmte Bakterien oder Pilze in unterschiedlichen Farben, was die Identifikation erleichtert.


So oder so ähnlich sieht es im Labor aus. Links sind mehrere verschiedene Agarplatten für den Laboralltag aufgebaut. Rechts ist ein gängiger Brutschrank zur Kultivierung.
Damit Bakterien und Pilze sich überhaupt vermehren können, brauchen sie die richtige Umgebung – und vor allem die richtige Temperatur. Die meisten Bakterien und Pilze wachsen bei einer sogenannten „Wohlfühltemperatur“ von rund 36°C – also in etwa unserer Körpertemperatur. Natürlich gibt es Ausnahmen, Pilze mögen es oft etwas kühler, ideal sind hier Temperaturen zwischen 18 und 24°C. Manche Bakterien, wie z.B. Campylobacter jejuni, benötigen dagegen höhere Temperaturen – zwischen 37 und 42°C.
Im Labor verwendet man dafür spezielle Inkubatoren (auch Brutschränke genannt), bei denen die Temperatur
präzise eingestellt werden kann – je nach Mikroorganismus. Die beimpften Agarplatten kommen dann für mindestens 18–24 Stunden in den Brutschrank. In manchen Fällen – besonders bei langsam wachsenden Erregern oder Pilzen – dauert die Inkubation sogar bis zu 72 Stunden oder länger. Anschließend schaut man sich die bewachsenen Platten an und versucht die einzelnen Spezies zu identifizieren. Nach der Identifizierung muss entschieden werden, ob die Spezies pathogen oder apathogen sind.
Auch wenn du die Kultivierung im Labor nicht mitbekommst – sie ist der Grund dafür, dass du im Idealfall nicht irgendein Antibiotikum bekommst, sondern genau das passende. Denn je genauer man den Erreger kennt,
desto gezielter kann man handeln.
Was passiert nach der Bebrütung?
Sobald die Platten ausreichend bebrütet wurden, beginnt die Auswertung. Die Labormitarbeiter schauen sich die gewachsenen Kolonien genau an – anhand von Farbe, Wachstumsverhalten, Geruch oder Struktur lässt sich oft schon ein erster Verdacht auf bestimmte Spezies ableiten.
Im nächsten Schritt wird die Spezies dann identifiziert – z.B. durch biochemische Tests oder moderne Verfahren wie MALDI-TOF.
Am Ende steht immer die entscheidende Frage: Handelt es sich um einen pathogenen Erreger – also eine mögliche Krankheitsursache? Oder ist es eher ein apathogener Mitbewohner aus der normalen Flora?
Gerade in sensiblen Bereichen wie Genital- oder Darmflora bedeutet das: Nicht alles, was gefunden wird, ist automatisch schlimm. Die Laboranalyse hilft dabei, genau zu unterscheiden, ob es sich um normale Mitbewohner oder Krankheitserreger handelt – und verhindert unnötige Behandlungen.

So sehen bewachsene Agarplatten nach 24 Stunden Bebrütung aus.
Und was passiert nach der Identifizierung?
Nach der erfolgreichen Bestimmung eines Erregers folgt ein besonders wichtiger Schritt. Es wird ein sogenanntes Antibiogramm erstellt. Das bedeutet, man testet, welche Antibiotika (bei Bakterien) bzw. Antimykotika (bei Pilzen) gegen den nachgewiesenen Erreger wirksam (sensibel) oder unwirksam (resistent) sind. So kann der behandelnde Arzt gezielt das passende Therapeutikum auswählen – und weiß gleichzeitig, welche Mittel besser nicht eingesetzt werden sollten. Alle Ergebnisse werden in einem übersichtlichen Laborbefund zusammengefasst und an den Arzt übermittelt.
Warum ist das wichtig?
→ „So kann dein Arzt gezielt das richtige Antibiotikum auswählen – ohne auf Verdacht zu behandeln.
Und was ist mit den Viren?
Über Bakterien und Pilze haben wir jetzt eine Menge gesprochen – aber was ist eigentlich mit Viren? Viren lassen sich nicht auf Agarplatten kultivieren, da sie keinen eigenen Stoffwechsel besitzen. Sie sind auf lebende Wirtszellen angewiesen und deshalb auf andere Nachweismethoden angewiesen – z.B.:
- Antigen-Nachweise (Virusbestandteile im Blut oder anderen Proben)
- Antikörper-Nachweise (Abwehrreaktion des Körpers gegen das Virus)
- PCR-Verfahren, bei denen virales Erbgut direkt nachgewiesen wird
Fazit
Ich hoffe, dieser Beitrag konnte dir einen kleinen, aber spannenden Einblick in die medizinische Mikrobiologie geben – von der Probenentnahme bis zum Befund. Vielleicht hast du jetzt Lust auf noch mehr Laborwissen?
Auch wenn viele Laborschritte für dich als Patient:in unsichtbar bleiben – sie entscheiden oft darüber, ob du schnell wieder gesund wirst. Mein Ziel ist es, dir einen Blick hinter die Kulissen zu geben – damit du verstehst, was im Hintergrund für deine Gesundheit geleistet wird.
Schau dir gern mein kostenloses Einführungsvideo an – da erkläre ich nochmal ganz kompakt, wie alles zusammenhängt. Und wenn du Fragen hast oder bestimmte Themen vertiefen willst, schreibe mir gern oder kommentierte unter dem Beitrag!
Ich empfehle dir auch andere spannende Blogbeiträge zu dem Thema:
Quellen
Suerbaum, Sebastian et al. (2020): Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie, 9. Auflage Springer (Verlag)
Hof, Herbert; Schlüter, Dirk (2019): Medizinische Mikrobiologie, 7. Auflage, Thieme Verlag KG