Phagentherapie
In der heutigen Zeit, in der Antibiotikaresistenzen immer mehr zunehmen, wird die Phagentherapie zu einem immer wichtigeren Thema. In einer meiner früheren Blogbeiträge habe ich bereits ausführlich erklärt, wie Antibiotikaresistenzen entstehen und welche Gefahren sie für die medizinische Behandlung mit sich bringen. Aktuellen Schätzungen des Instituts für Health Metrics and Evaluation zufolge sind weltweit rund 1,3 Millionen Todesfälle pro Jahr direkt auf antimikrobielle Resistenzen zurückzuführen. In Deutschland sind es sogar bis zu 9.700 Todesfälle jährlich.
Was viele jedoch nicht wissen: Die Phagentherapie könnte eine vielversprechende Alternative zur Behandlung von bakteriellen Infektionen darstellen – besonders bei resistenten Bakterienstämmen. Leider ist diese Therapieform in Deutschland noch immer viel zu wenig bekannt und wird in der Praxis selten angewendet. Und leider gibt es auch viel zu wenig Ärzte, die über Phagentherapie ausreichend aufgeklärt sind. Es gibt immer noch Missverständnisse darüber, dass Phagentherapie hierzulande nicht erlaubt sei – doch es soll an dieser Stelle schon einmal ausdrücklich darauf hingewiesen werden, das ist nicht der Fall und es ist wichtig, dieses Wissen zu verbreiten. Ich hatte das Glück, meine Masterarbeit über „die Detektion von Phagen in Umweltproben“ zu schreiben. Dadurch konnte ich mich intensiv mit Phagen auseinandersetzen und meine Neugierde für ihre Anwendung in der Medizin war geweckt.
Doch bevor wir uns mit der Phagentherapie im Detail beschäftigen, sollten wir zunächst klären: Was sind Phagen eigentlich?
Was sind Phagen – Die unsichtbaren Helfer gegen Bakterien
Bakteriophagen, auch einfach Phagen genannt, sind spezielle Viren, die es ausschließlich auf Bakterien abgesehen haben. Das besondere ist, dass jeder Phage nur eine ganz bestimmte Bakterienspezies als Wirt hat. Das heißt, er infiziert dann auch nur diese eine Spezies und keine anderen Bakterien. Phagen bestehen hauptsächlich aus genetischem Material, entweder DNA (Desoxyribonukleinsäure) oder RNA (Ribonukleinsäure), sowie aus Proteinen, auch Eiweiße genannt. Die meisten Phagen sind sogenannte unbehüllte Viren. Es gibt jedoch auch einige Phagen-Familien, wie die Cystoviridae, Plasmaviridae und Lipothrixviridae, die zusätzlich eine schützende Lipidhülle besitzen.
Im Laufe der Jahre wurden verschiedene Klassifizierungssysteme entwickelt, um Phagen zu kategorisieren. Klassischerweise unterscheiden wir sie nach ihren morphologischen Merkmalen (also ihrer Form), der Art ihrer Nukleinsäure und ob diese nun einzelsträngig (ss) oder doppelsträngig (ds) ist. Die Phagenwelt ist also äußerst vielfältig!
In der folgenden Abbildung ist einen Überblick über die aktuelle Klassifizierung und Morphologie der Phagen. So wird deutlich, wie viele verschiedene Typen es gibt und wie sie sich voneinander unterscheiden.
Die Ordnung der Caudovirales ist mit über 96 % die größte Gruppe der Bakteriophagen. Zu ihr gehören die Familien Myoviridae, Podoviridae und Siphoviridae. Was all diese Phagen gemeinsam haben, ist ein charakteristisches Aussehen: ein proteinhaltiger Kopf mit ikosaedrischer Symmetrie und ein Schwanz, der eine wichtige Rolle bei der Infektion spielt. Der Schwanz hilft nicht nur bei der Erkennung von Wirtszellen, sondern sorgt auch dafür, dass das Phagengenom in die Zelle eingeschleust wird. Bakteriophagen können zwei verschiedene Infektionszyklen durchlaufen: den lytischen und den lysogenen Zyklus (siehe Abbildung unten). In beiden Fällen startet die Infektion immer mit der Erkennung der Wirtszelle. Was dabei besonders spannend ist, sind die ersten Interaktionen zwischen Phagen und Bakterium. Diese Interaktionen hängen von Phagenrezeptor-bindenden Proteinen und dem Rezeptor an der bakteriellen Zellwand ab.
Bakteriophagen starten ihren Angriff, indem sie sich erstmal locker und reversibel an die Oberfläche der Wirtszelle heften. So können sie die Umgebung „scannen“, bis sie den richtigen Rezeptor gefunden haben. Sobald dieser gefunden ist, erfolgt die irreversible Bindung, und der Phage spritzt seine Nukleinsäure in die Zelle. Diese enthält alles, was der Phage braucht, um sich zu vervielfältigen. Im lytischen Zyklus geht es dann schnell: Der Phage beginnt, frühe Phagenproteine zu produzieren, die die DNA des Wirts zersetzen. Der Phage nutzt dann die Ribosomen des Wirts, um eigene Proteine zu bauen, die für den Aufbau neuer Phagen notwendig sind. Diese neuen Phagenbestandteile werden zusammengesetzt, gleichzeitig schwächen Phagenlysozyme die Zellwand des Bakteriums und so es kommt zur „Explosion“ des Bakteriums – etwa 100 bis 200 neue Phagen werden freigesetzt.
Im lysogenen Zyklus geht der Phage einen ruhigeren Weg: Er integriert sein Genom in das Chromosom des Wirts, wodurch er als „Prophage“ mit dem Wirt zusammen repliziert wird. Auf diese Weise kann der Phage über viele Generationen hinweg in der Wirtszelle „versteckt“ bleiben. Doch bei Stress, wie etwa durch Temperatur- oder pH-Veränderungen, wechselt der Phage wieder zum lytischen Zyklus und startet die Produktion neuer Phagen.
Schauen wir uns mal einen Phagen im Detail an, um ein besseres Gefühl für seinen Aufbau zu bekommen. Der
Enterobacteria-Phage T4 ist ein echter Klassiker unter den Bakteriophagen und gehört zu den sieben T-Bakteriophagen, die Escherichia coli (Wirt) infizieren. E. coli ist ein weit verbreitetes Bakterium, das in der Natur fast überall vorkommt. Sowohl der Phage T4, der zur Familie der Myoviridae gehört, als auch E. coli, ein Mitglied der Enterobacteriaceae, sind richtig gut erforscht und dienen als wichtige Modellorganismen in der Biologie. Besonders E. coli gibt’s in vielen harmlosen Varianten, was es zum perfekten Kandidaten für Experimente macht, da es sich leicht im Labor züchten lässt und schnell wächst.
Der Phage T4 hat ein vollständig sequenziertes Genom, das mit 168.903 Basenpaaren ziemlich lang ist und etwa 300 Gene enthält. Vom Aussehen her ist der Phage T4 ziemlich eindrucksvoll: Er hat einen Kopf, der 111 x 78 nm(Nanometer) groß ist und eine gestreckte, ikosaedrische Form hat. Der Schwanz des Phagen misst 113 x 16 nm und ist kontraktil, was bedeutet, dass er sich zusammenziehen kann, um das Phagengenom in die Zelle zu schleusen. Am Ende des Schwanzes befinden sich die Schwanzfasern, die helfen, die Zelle zu erkennen und anzubinden.
Am Ende des Phagen-T4-Schwanzes befindet sich eine kleine hexagonale Grundplatte, an die sechs lange Schwanzfasern (LTFs) und sechs kurze Schwanzfasern (STFs) angebracht sind. Diese Struktur spielt eine entscheidende Rolle bei der Erkennung des Wirts. Der Phage T4 infiziert seinen Wirt ausschließlich über den lytischen Zyklus, was bedeutet, dass er den Wirt direkt zerstört, um sich zu vermehren. Die langen Schwanzfasern (LTFs) fungieren wie Sensoren, die es dem Phagen ermöglichen, über die Oberfläche des Bakteriums zu „wandern“ und nach den passenden Rezeptormolekülen zu suchen. Wenn er einen Rezeptor entdeckt, entfalten sich die kurzen Schwanzfasern (STFs) und binden sich irreversibel an die Wirtszelle. Die Schwanzscheide zieht sich dann zusammen, und der innere Schlauch des Phagen kann die äußere Membran des Bakteriums durchbohren.
Das Besondere an Phage T4 ist, dass der gesamte Zyklus bei 37 °C in weniger als 30 Minuten abgeschlossen ist. Diese schnelle Replikation macht ihn zu einem spannenden Kandidaten für Laborarbeiten und Forschungsexperimente.
Aber wie kam man eigentlich auf diese unsichtbaren Helfer? Die Entdeckung von Bakteriophagen geht fast gleichzeitig zurück auf den Beginn des 20. Jahrhunderts, als zwei Wissenschaftler, Frederick William Twort und Felix Hubert d’Hérelle, ihren Blick auf diese Viren richteten.
Die Entdeckung der Phagen
Im Jahr 1915 beobachtete der britische Mikrobiologe F. W. Twort, dass Mikrokokkenkulturen „glasige und transparente“ Kolonien bildeten. Er stellte fest, dass ein Tropfen dieser Kolonien das Wachstum der Mikrokokken hemmte. Die Sache hatte jedoch einen Haken: Diese „glasigen Kolonien“ waren nur dann sichtbar, wenn Mikrokokken vorhanden waren – ohne Mikrokokken blieb alles unsichtbar. Zwei Jahre später, im Jahr 1917, entdeckte der französische Mikrobiologe F. H. d’Hérelle unabhängig von Twort, dass diese unsichtbaren Erreger – die er Bakteriophagen nannte – in der Lage waren, Bakterien zu zerstören.
D’Hérelle entdeckte außerdem, dass diese Phagen in Flüssigkulturen und auf Agarplatten Plaques bildeten, wenn sie auf Bakterien trafen. Ein echter Durchbruch! D’Hérelle zeigte auch, dass man die Phagen zählen konnte, indem man die Plaques auf den Bakterienrasen zählte. Das war ein wichtiger Schritt, denn so konnte man die Anzahl dieser Phagen bestimmen und nachweisen. Später hatte d’Hérelle noch eine ziemlich bahnbrechende Idee: Er schlug vor, Bakteriophagen als natürliche Therapeutika gegen bakterielle Infektionen einzusetzen – was als Phagentherapie bekannt wurde. Und so entstand der erste große Hype rund um Bakteriophagen als mögliche Lösung für bakterielle Krankheiten.
Von der Theorie zur Praxis
D’Hérelle erweiterte seine Forschung zur Phagentherapie in Zusammenarbeit mit einem georgischen Arzt und
Bakteriologen, George Eliava. Gemeinsam gründeten sie 1923 in Tiflis (dem heutigen Tbilisi, Georgien) das Weltzentrum für Phagenforschung und Phagentherapie. Dort wurde die erste kommerzielle Phagenbehandlung gegen Vibrio cholerae (den Erreger der Cholera) entwickelt, die später auch in Indien erfolgreich eingesetzt wurde. Doch wie so oft in der Wissenschaftsgeschichte, trat eine neue Entdeckung auf den Plan: Penicillin! Mit der Entdeckung des ersten Antibiotikums im Jahr 1928 rückte die Phagentherapie erst mal in den Hintergrund. Antibiotika galten plötzlich als das Zaubermittel gegen bakterielle Infektionen und verdrängten die Phagenforschung für viele Jahrzehnte.
Die Wiederentdeckung der Phagen im 21. Jahrhundert
Doch, wie es in der Wissenschaft manchmal so ist, kommt alles wieder zurück. In den letzten Jahrzehnten hat die zunehmende Resistenz von Bakterien gegenüber Antibiotika ein großes Gesundheitsproblem geschaffen. Besonders in Ländern wie China und Indien, wo Antibiotika teils unsachgemäß eingesetzt werden, haben sich immer mehr multiresistente Erreger entwickelt. Aber auch in Europa waren etwa 670.000 Menschen mit diesen resistenten Bakterien infiziert. Und genau hier kommen die Bakteriophagen ins Spiel! Forscher haben wieder verstärkt nach Alternativen zur Antibiotika-Therapie gesucht, und die Phagentherapie zeigt großes Potenzial als Lösung gegen multiresistente Bakterien. Vielleicht könnte diese „vergessene“ Therapie schon bald eine wichtige Rolle im Kampf gegen die wachsende Bedrohung durch resistente Erreger spielen.
Was versteht man unter Phagentherapie?
Phagentherapie klingt erstmal ungewöhnlich, weil wir Viren normalerweise mit Krankheiten in Verbindung bringen. Aber bei Phagen handelt es sich um Viren, die ausschließlich Bakterien infizieren. Genau deshalb können sie gezielt zur Behandlung bakterieller Infektionen eingesetzt werden.
Wie funktioniert das Ganze?
Zuerst muss der Verdacht auf eine bakterielle Infektion bestehen. Bei einer Blasenentzündung würde man zum Beispiel eine Urinprobe nehmen, bei einer Wundinfektion einen Abstrich aus der Wunde. Diese Probe wird dann im Labor auf Nährmedien aufgebracht, damit die Bakterien sich vermehren können. Sobald die Bakterienkultur wächst, wird das Bakterium identifiziert und auf mögliche Antibiotika-Resistenzen getestet. Mehr dazu kannst du in einem anderen Artikel über Antibiotikaresistenzen nachlesen (siehe auch Part 4). Hat man den Bakterienstamm isoliert, geht es an die Auswahl des passenden Phagen. Dafür gibt es spezielle Phagenbanken, aus denen das Labor den geeigneten Phagen auswählen kann. Ein Phagenlysat, also eine Lösung mit den Phagen, wird dann hergestellt, und der Patient kann es in der Regel oral einnehmen. In einigen Fällen, etwa bei Wundinfektionen, kann das Lysat direkt in die Wunde eingebracht werden. Bei Lungenerkrankungen ist auch die Inhalation möglich. Die Herstellung des Lysats ist ein mehrstufiger Prozess, bei dem darauf geachtet wird, dass am Ende ein reines Phagenprodukt vorliegt. Wichtig dabei ist, dass nur lytische Phagen zum Einsatz kommen, da sie die Bakterien zerstören müssen, um die Infektion zu bekämpfen.
Vorteil
Ein großer Vorteil der Phagentherapie ist, dass sie im Gegensatz zu Antibiotika nur das spezifische Zielbakterium angreift und die für unseren Körper wichtige Normalflora – wie etwa die Darmbakterien – weitgehend intakt bleibt. Bei der Einnahme von Breitbandantibiotika können durch die Zerstörung der normalen Bakterienflora schnell Begleiterscheinungen auftreten, wie zum Beispiel Pilzinfektionen oder die Notwendigkeit, das Darmbiom nach der Behandlung wieder aufzubauen. Außerdem haben Antibiotika oft Nebenwirkungen, die bei einer Phagentherapie fast völlig ausbleiben, da Phagen nur Bakterien infizieren, gibt es keine typischen systemischen Nebenwirkungen.
Phagen sind nicht nur bei resistenten Bakterien eine Option, sondern auch eine vielversprechende Alternative für die Behandlung chronischer, immer wiederkehrender bakterieller Infektionen. Sie könnten eine wichtige Rolle dabei spielen, Probleme zu lösen, die durch die wiederholte Anwendung von Antibiotika entstehen. Insbesondere bei bakteriellen Infektionen mit Vorerkrankungen wie Mukoviszidose und Diabetes, aber auch bei chronischen Harnwegs- oder Wundinfektionen können Phagen echte Lebensretter sein.
Wie sieht die Situation in Deutschland aus?
Anders als viele denken, ist die Phagentherapie in Deutschland erlaubt – sie wird nur leider viel zu selten angewandt. Ich bin der Meinung, dass viel mehr Leben gerettet werden könnten, wenn mehr Menschen, vor allem in medizinischen Berufen, über diese Möglichkeit aufgeklärt wären. Das Hauptproblem in Deutschland ist, dass es hier keine etablierten Phagenlabore gibt, wie sie zum Beispiel in Georgien existieren. Das einzige Phagenlabor in Deutschland ist derzeit das Fraunhofer ITEM in Hannover, das allerdings, soweit ich weiß, nur die eigenen Patienten behandelt. Hinzu kommt, dass das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) die Herstellung von Phagenlysaten hierzulande so bürokratisch und komplex gestaltet hat, dass die Kosten für die Produktion eines einzigen Lysats auf bis zu 200.000 Euro steigen können. Das macht die Therapie faktisch unbezahlbar und kaum zugänglich. Deshalb müssen Phagenpräparate aus dem Ausland bezogen werden, oft aus dem Eliava-Institut in Tiflis (Georgien) oder vom Queen-Astrid-Military-Hospital in Brüssel (QAMH). Auch wenn der Zugang zu dieser Therapieform dadurch erschwert wird, ist sie dennoch möglich. Es ist wirklich schade, dass der schnelle Zugang zur Phagentherapie so kompliziert ist, aber für Patienten, die auf diese Therapie angewiesen sind, gibt es Wege, an die Phagenbehandlung zu kommen.
die rechtliche Situation
Hierzu empfehle ich unbedingt folgende Website:
Man wird hier umfassend über die rechtliche Situation in Deutschland aufgeklärt, alles ist sehr genau beschrieben und alle rechtlichen Hintergründe werden erläutert.
Ein kleiner Auszug von der website hier schon mal vorab:
„Generelle Zulässigkeit der Behandlung In den Medien wird die Zulässigkeit der (Regel-)Behandlung mit Bakteriophagen in der Regel falsch beantwortet. Das führt zu Missverständnissen ,insbesondere bei der Ärzteschaft, die deshalb verunsichert ist und die Phagentherapie gar nicht erst anbietet – mit verheerenden, oft tödlichen Folgen für die Patienten! Im Folgenden sollen deshalb die schlimmsten Fehlinformationen aufgegriffen und geklärt werden:
These: „Die Behandlung ist in Deutschland noch nicht zugelassen“
Diese Aussage ist irreführend: In D gibt es keine Zulassungspflicht für neue Behandlungsmethoden. Mit der Approbation erwerben alle Ärzt+innen in Deutschland eine generelle Behandlungsfreiheit. Diese geht so weit, dass nicht einmal die von der AWMF veröffentlichten „Standards“ für die Ärzt+innen bindend sind, zumal selbst diese in der Regel nur eine geringe Evidenz haben. Dies gilt erst recht in Fällen des > compassionate-use (dazu später). Hier steht sogar eine Körperverletzung durch Unterlassen im Raum, wenn der Patient auf eine einigermaßen vernünftige und aussichtsreiche, wenn auch neuartige und noch wenig erforschte Behandlungsmethode gar nicht erst hingewiesen wurde. Gemeint ist mit der Aussage vermutlich der Umstand, dass die Behandlung mit Bakteriophagen noch nicht in den Leistungskatalog der GKVen aufgenommen wurde und/oder dass es noch keine klinischen Studien gibt. Die ärztliche Therapiefreiheit wird dadurch jedoch nicht eingeschränkt.
These: „Die Studienlage ist noch nicht ausreichend“
Diese These ist ebenfalls irreführend, weil sie suggeriert, dass ärztliche Behandlungen nur erlaubt sind, wenn sie durch randomisierte klinische Doppelblind-Studien zuvor erprobt wurden. Das ist jedoch nicht der Fall; die ärztliche Behandlungsfreiheit wird nicht auf klinisch erprobte Behandlungsmethoden beschränkt. Das mag in anderen Rechtsordnungen anders sein; in Deutschland ist dies allerdings traditionell der Fall. Richtig ist aber, dass der Arzt die Risiken und den Nutzen der Therapie selbst beurteilen und gegeneinander abwägen muss, solange noch keine klinischen Studien vorliegen. Das heißt, er muss sich in der Literatur unterrichten. Allein aus den letzten 5 Jahren liegen jedoch weltweit schon hunderte case-reports über Bakteriophagentherapien bei parenteraler und topischer Anwendung vor, die einen z.T. beeindruckenden therapeutischen Nutzen bei genereller Nebenwirkungsfreiheit beschreiben. Der Erkenntniswert ist daher schon anhand dieser case-reports relativ hoch.“
Auf der Website der WHO finden sich zwei interessante Fallbeispiele von einem älteren Herren und einem jungen Mädchen, die beide durch eine Phagentherapie geheilt wurden.
Eigentlich sollte Ende letzten Jahres auch schon eine Sk2-Leitlinie Personalisierte Bakteriophagen-Therapie in Deutschland erscheinen, aber sie wird wohl erst im Juli 2025 fertig.
Ich appeliere hier wirklich an alle, die in medizinischen Berufen arbeiten, sich mit der Thematik Phagentherapie auseinander zu setzen!
Auf der Webseite phage-germany.de gibt es eine Fülle an nützlichen Informationen rund um das Thema Phagentherapie. Es lohnt sich wirklich, dort mal vorbeizuschauen und sich die Zeit zu nehmen, die Seite durchzustöbern. Wer weiß, vielleicht können gerade diese paar Minuten der investierten Zeit helfen, Menschenleben zu retten! Die Seite bietet wertvolle Einblicke und könnte für viele, die sich mit bakteriellen Infektionen und alternativen Therapieformen beschäftigen, eine echte Hilfe sein.
Quellen
Ackermann, H.-W. (2006). Classification of Bacteriophages. In R. Calender (Ed.), The Bacteriophages (2 ed., pp. 8-16). Oxford University Press
Ackermann, H.-W. (2011). Bacteriophage taxonomy. Microbiology Australia, 32, pp. 90-94
Blount, Z. D. (2015). The unexhausted potential of E. coli. eLife(4)
Casjens, S. (2005). Comparative genomics and evolution of the tailed-bacteriophages. Current Opinion in Microbiology, 8, pp. 451-458
Cassini, A., Högberg, L. D., Plachouras, D., Quattrocchi, A., Hoxha, A., & Gunnar Skov Simonsen. (2018). Attributable deaths and disability-adjusted life-years caused. www.thelancet.com/infection , pp. 1-11
Fokine, A., Chipman, P. R., Leiman, P. G., Mesyanzhinov, V. V., Rao, V. B., Rao, B., & Rossmann, M. G. (2004). Molecular architecture of the prolate head of bacteriophage T4. Proceedings of the National Academy of Sciences, 101(16), pp. 6003-6008
Garcia-Doval, C., & van Raaij, M. (2013). Bacteriophage Receptor Recognition and Nucleic Acid Transfer. In M. G. Mateu (Ed.), Structure and Physics of Viruses (p. 513). Springer Dordrecht Heidelberg
Miller, E. S., Kutter, E., Mosig, G., Arisaka, F., Kunisawa, T., & Rüger, W. (2003). Bacteriophage T4 Genome. Microbiology and Molecular Biology Reviews, 67(1), pp. 86-156
Summers, W. C. (2006). Chapter 1 Phage and the Early Development of Molecular Biology. In R. Calender (Ed.), The Bacteriophages (2 ed., p. 4). USA: Oxford University Press
Tangcharoensathien, V., Chanvatik, S., & Sommanustweechai, A. (2018). Complex determinants of inappropriate use of antibiotics. Bulletin of the World Health Organization, 96(2), pp. 141-144
Twort, F. W. (1915). An investigation on the nature of ultra-microscopic viruses. The Lancet , 186(4814)
Please Share