
Antibiotikaresistenzen Part 3
Antibiotikaresistenzen Part 3
Heute geht es um die verschiedenen Resistenzmechanismen in Bakterien gegen Antibiotika und problematische Bakterien wie MRSA oder MRGN.
- Was versteht man eigentlich unter Antibiotikaresistenz?
- bakteriologische Grundlagen
- Welche Antibiotika gibt es?
- Was ist der Unterschied zwischen intrinsischen und erworbenen Resistenzen?
- Welche Resistenzmechanismen gibt es?
- Welche Bakterien sind problematisch?
- Warum sind Antibiotikaresistenzen so gefährlich?
- Welche Verfahren zur Resistenzbestimmung gibt es im Labor?
- Was sind die Ursachen für die Zunahme an Resistenzen in den letzten zwei Jahrzehnten?
- Können wir noch verhindern, dass sich Antibiotikaresistenzen weiter ausbreiten?
5. Welche Resistenzmechanismen gibt es und was versteht man darunter überhaupt?
Resistenzmechanismen sind Prozesse in Bakterien, die die Ursache dafür sind, dass Antibiotika nicht mehr wirken können. Bakterien haben dafür vielfältige Strategien entwickelt. Welche das sind werden wir uns jetzt mal etwas genauer anschauen.
Inaktivierende Enzyme
Jedes Bakterium besitzt eine Menge an lebensnotwendigen Enzymen. Enzyme sind komplexe Eiweißmoleküle (Proteine), die als Katalysatoren an vielen chemischen Reaktionen beteiligt sind. Sie liefern die erforderliche Aktivierungsenergie und setzen somit chemische Reaktionen in Gang. Einige Bakterien sind in der Lage Enzyme zu produzieren, die Antibiotika zerstören.
Betalactamasen
Wir erinnern uns an den Aufbau von Betalactam Antibiotika aus Part 2. Sie bestehen in ihrer Grundstruktur aus einem Betalactam Ring. Bakterien können die Enzyme Betalactamasen bilden, welche den Betalactam Ring spalten und so zum Wirkverlust des Antibiotikums führen. Es gibt eine Vielzahl von Betalactamasen, die zu unterschiedlichen Ausprägungen der Resistenz führen können, von Resistenzen gegen einzelne Antibiotika bis hin zu Resistenzen gegen mehrere Betalactam Antibiotikaklassen gleichzeitig. Penicillinase beispielsweise in Staphylococcus aureus führt zu einer Penicillinresistenz. ESBL (extended spectrum beta lactamase) in Enterobakterien (gramnegative Stäbchen) führt schon zu einer Resistenz gegen zwei Antibiotikaklassen, Penicilline und Cephalosporine. Diese werden dann 2 MRGN (multirestistente gramnegative) Bakterien genannt. Metallo-β-Lactamasen in Enterobakterien und Pseudomonaden können sogar eine Resistenz gegen alle Betalactam Antibiotika inklusive der Carbapeneme bewirken.
Aminoglykosid modifzierende Enzyme
Aminoglykosid modifzierende Enzyme wirken beim Transport des Antibiotikums durch die Zellwand. Beispiele sind Aminoglykosid-Adenylyltransferasen (Aad) und -Acetyltransferasen (Aac). Sie fügen Acetat-, Adenylat- oder Phosphatgruppen an das Antibiotikum an und verringern so dessen Affinität zur 30S-Untereinheit der Ribosomen und somit die Hemmwirkung auf die bakterielle Proteinsynthese. Auf diese Weise entstehen Resistenzen gegen Aminoglykoside wie Tobramycin, Gentamicin und Amikacin.
Veränderte Zielmoleküle
Wie in Part 2 besprochen, haben Antibiotika unterschiedliche Angriffspunkte im Bakterium. Wenn sich diese Angriffspunkte, auch Zielmoleküle genannt, verändern, kann das Antibiotikum nicht mehr daran binden. Es kann also seine Wirkung nicht mehr entfalten. Solche Zielmoleküle können z.B. penicillinbindende Proteine (PBP) sein. In Staphylococcus aureus bewirkt PBP2a die Resistenz gegen Methicillin, Penicillin und Betalactam Antibiotika und ist als MRSA (Methicillin resistenter Staphylococcus aureus) bekannt. Eine Punktmutation in DNA-Gyrase Genen von Escherichia coli kann zur Chinolonresistenz führen. In Kombination mit Betalactamasen können so 3 oder 4 MRGN Stämme entstehen. Das bedeutet das Bakterium ist dann gegen 3 bzw. 4 Antibiotikaklassen resistent (siehe unten). Umgangssprachlich nennt man es dann auch multiresistent.
Veränderte Permeabilität der Zellhülle
Gramnegative Bakterien haben in der Regel eine Barriere gegen hydrophile („wasserliebende“) und hydrophobe („wassermeidende“) Substanzen. Durch porenförmige Transmembranproteine, sogenannte Porine, können aber niedermolekulare Verbindungen die Zellwand überwinden. Findet allerdings eine verminderte Expression solcher Porine statt, können einige Antibiotika die Zellwand nicht mehr durchdringen. Ein Beispiel dafür ist die Resistenz von Pseudomonas aeruginosa gegenüber Imipenem.
Effluxpumpen
Effluxpumpen sind Transporterproteine, die das Antibiotikum sofort nach Überwindung der Zellwand wieder hinaus befördern. Da dies sehr schnell passiert, bleibt das Antibiotikum ohne Wirkung. Ein Beispiel dafür ist das RND-type Efflux System in Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae. Es bewirkt unter anderem eine Resistenz gegen Fluorochinolone, Betalactam Antibiotika und Tetracycline.
Hier gibt es noch eine schöne Darstellung von Resistenzmechanismen.
Obwohl Bakterien so winzig sind, dass wir sie nicht sehen können, finden in ihnen
hochkomplexe chemische Vorgänge statt, über die man immer wieder nur staunen kann. Was ich euch hier gezeigt habe, ist nur ein kleiner Ausschnitt von Fähigkeiten einiger Bakterien, um sich an ihre Umwelt anzupassen. Es ist durchaus denkbar, dass sie sich in Zukunft weiterentwickeln werden und uns mit immer neuen Strategien überaschen.
6. Welche Bakterien sind problematisch?
Im Grunde genommen ist es aufgrund der vielfältigen Resistenzmechnismen fast jedem klinisch relevanten Bakterium möglich, Resistenzen gegen Antibiotika auszubilden. Mir fällt zumindest momentan keines ein, welches nicht dazu fähig ist. Ich möchte euch zumindest die bekanntesten (auch gelegentlich in den Medien erwähnten) Vertreter vorstellen.
MRSA
Methicillin resistenter Staphylococcus aureus ist eine Variante des S. aureus, der gegen Methicillin, Penicillin und Betalactam Antibiotika resistent ist. Ihr seht also, der Begriff ist schon etwas überholt. Heute wird das „M“ in MRSA auch mit multiresistent übersetzt.
Bis zu 50 % der Bevölkerung sind mit S. aureus auf der Haut, im vorderen Nasenbereich, selten auch im Rektum, Perineum oder der Vagina kolonisiert. Daher gehört er zu den fakultativ pathogenen Erregern. Das bedeutet, dass er normalerweise harmlos ist (auch als MRSA Stamm), aber in einigen Fällen eben auch pathogen (krankheitserregend) sein kann. Er kann z.B. Wundinfektionen, Sepsis oder Endokarditis (Infektion der Herzinnenhaut) verursachen. Bis Anfang des Jahrtausends verbreitete sich MRSA rasant und der Anteil von MRSA an S. aureus aus Infektionen in Krankenhäusern stieg bis 2004 auf über 20%. Erfreulicherweise sind diese Zahlen in Deutschland wieder rückläufig, aber eben nicht überall. Bei über 30% der europäischen Länder ist der Anteil der MRSA Stämme immer noch bei über 25%.
VRE
VRE steht für Vancomycin resistente Enterokokken. Enterokokken können Teil der physiologischen Normalflora bei Menschen sein z.B. im Darm. Auch sie gehören zu den fakultativ pathogenen Erregern. Die zwei wichtigsten Vertreter sind Enterococcus faecalis und Enterococcus faecium. Enterokokken können Harnwegsinfektionen (besonders im Krankenhaus), Sepsis und Endokarditis verursachen. Die Anteil an VRE bei Enterokokkeninfektionen lag im Jahr 2021 bei über 20% in Deutschland. In Europa lag der Mittelwert bei 17,2%. Also auch hier sind die Werte recht hoch.
MRGN
MRGN steht wie oben schon erwähnt für „multiresistente gramnegative“ Stäbchen Bakterien. Es gibt die Einteilung 2, 3 und 4 MRGN, was sich auf die 4 Antibiotikaklassen Penicilline (speziell Piperacillin), Cephalosporine (3.-/4.-Generations-Cephalosporine) , Carbapeneme und Fluorchinolone bezieht (siehe Part 2). Die hier betrachteten multiresistenten gramnegativen Bakterien sind Enterobacterales (E. coli, Klebsiella spp., Enterobacter spp., Proteus spp., Citrobacter spp. und Serratia spp.), Pseudomonas aeruginosa und der Acinetobacter spp.. 2 MRGN sind gegen zwei der vier Antibiotikaklassen resisitent und zwar gegen Penicilline und Cephalosporine. 4 MRGN erklärt sich, denke ich, von selbst. Bei 3 MRGN müssen wir zwischen Enterobakterien und Pseudomonas aeruginosa unterscheiden. Während bei den Enterobakterien Penicilline, Cephalosporine und Fluorchinolone resistent sind, sind es bei P. aeruginosa 3 beliebige Klassen. Eine allgemeine Statistik zu MRGN habe ich nicht gefunden. Als Beispiel habe ich die Carbapenemresistenz von Klebsiella spp.. Während sie im nordwestlichen Europa bei unter 1% liegt, erreicht sie in Ländern wie die Türkei, Italien oder Griechenland bis zu 50%. Insgesamt gab es in den letzten Jahren in Teilen Europas einen Anstieg von MRGN Infektionen, den ich wirklich bedenklich finde.
Es gibt noch eine ganze Menge mehr Bakterien, aber auch zu erwähnen Pilze, die eine Vielzahl von Resistenzen ausbilden können. Meist sind es jedoch noch einzelne Resistenzen gegen bestimmte Antimykotika. Wie ich oben jedoch schon erwähnt habe, wird es sich zeigen, wie die Zukunft aussieht. Es ist nicht auszuschließen, dass weitere Bakterienspezies Multiresistenzen entwickeln.